20. Mai 1977
Liebe Brüder,
ein Bruder hat sich gründlich mit der neubabylonischen Zeit in bezug auf unser gegenwärtiges Verständnis der bestimmten Zeiten der Nationen" befaßt. Sein Traktat", in aller Aufrichtigkeit und tiefen Liebe zur Wahrheit geschrieben, ist von einigen befähigten Brüdern sorgfältig und kritisch untersucht worden, aber es war nicht möglich, die Argumente und die Schlußfolgerung zu widerlegen, daß 587 v.u.Z., und nicht 607 v.u.Z., das richtige Datum für die Zerstörung Jerusalems und seines Tempels war. Wenn diese Schlußfolgerung stimmt - und man kann nur schwer alle vorgelegten Beweise negieren -, dann hat das weitreichende Folgen für alles, was wir mit dem Jahr 1914 verbinden: Christi Gegenwart, die Aufrichtung von Gottes Königreich, der Sturz Satans usw.
Ich lege den Teil II der Abhandlung bei, der von der neubabylonischen Chronologie handelt. Wir bitten Euch, ihn sorgfältig zu lesen und uns Eure Ansicht mitzuteilen, da die Sache uns allen sehr große Sorgen bereitet.
Wir sind sehr neugierig auf Eure Antwort.
In christlicher Liebe Euer Bruder [Carl Olof Jonsson]
19. August 1977
Lieber Bruder Jonsson,
vielen Dank für Deinen Brief vom 20. Mai und das beigefügte
Material. Wir bedauern, daß es uns wegen der vielen Arbeit bisher
nicht möglich gewesen ist, dieser Angelegenheit soviel Aufmerksamkeit
zu widmen, wie wir eigentlich wollten.
In Deinem Brief erwähnst Du, daß Du uns den Teil II der
Ausarbeitung schickst, aber Du hast uns eine Seite, als Teil I bezeichnet,
vorgelegt. Ist das der ganze Teil I? Wir erwähnen dies, weil wir schon
daran interessiert sind, die gesamte Abhandlung zu bekommen. Wenn das der
ganze Teil I ist, dann hätten wir gerne auch Teil III, wenn er schon
ausgearbeitet ist.
Wir hätten von Dir auch gerne den Namen und die Anschrift des
Bruders, der die Nachforschung betrieben und die Abhandlung geschrieben
hat. Inzwischen tragen wir einen Teil des angeführten Quellenmaterials
zusammen, und es wäre gut, wenn wir seinen Namen und seine Anschrift
hätten, falls Fragen auftauchen. Du schreibst, der Stoff sei von einer
Anzahl Brüder untersucht worden. Wenn Du also mit anderen in Kontakt
stehst, die an dieser Sache beteiligt sind und uns, falls wir darum ersuchen,
ihre Stellungnahmen dazu geben könnten, würden wir gerne auch
von ihnen wissen.
Wir möchten uns im voraus bedanken, daß Du unserer Bitte
nachkommst.
Deine Brüder [Watchtower Bible & Tract Society of New York.
Inc.]
PS: Auf der Seite 27 meiner Abhandlung wird im letzten Satz und in der Fußnote 20 ein Robert R. Newton genannt, der vor einigen Jahren Claudius Ptolemäus als jemand entlarvt haben wollte, der einige seiner Beobachtungen erfunden" habe. Vielleicht ist Euch bekannt, daß er inzwischen ein Buch über das Thema geschrieben hat: The Crime of Claudius Ptolemy, 1977 (John Hopkins University Press). Wie es in der Zeitschrift Scientific American (Oktober 1977, S. 79 ff) heißt, habe Newton auch entdeckt, daß Ptolemäus einen großen Teil der Beobachtungen, die er anderen Astronomen zuschrieb, nicht übernommen und bewahrt, sondern gefälscht hat ... Darüber hinaus ging die Fälschung des Ptolemäus vielleicht so weit, die Länge der Regierungszeiten babylonischer Könige zu erfinden." Deshalb ist die kritische Haltung gegenüber Ptolemäus im Aid-Buch sicher gerechtfertigt. Es ist klar", schließt Newton sein Buch, daß man keine Feststellung des Ptolemäus akzeptieren kann, die nicht von Schreibern bestätigt wird, die in den fraglichen Dingen völlig unabhängig von Ptolemäus sind." Genau das ist im Teil III meiner Abhandlung geschehen: Die neubabylonische Chronologie wird durch mehrere vom Ptolemäischen Kanon unabhängige Beweislinien begründet. Sie zeigen, daß die Königsliste des Ptolemäus, was die neubabylonische Periode betrifft, korrekt ist.
Einige andere Details der Abhandlung sind ebenfalls geändert
worden, besonders einige Aussagen zu Ptolemäus, die in Abstimmung
mit den Beweisen R.R. Newtons in seinem Buch The Crime of Claudius Ptolemy
(siehe das PS in meinem letzten Brief) korrigiert wurden. Diese Korrekturen
ändern aber an keiner der Beweislinien gegen 607 v.u.Z. etwas. Ich
habe das nur der Genauigkeit halber gemacht. Eine weitere Korrektur betrifft
die Fußnote 21, Seite 63, wo 8 Monate" 4 Monate" und 10 Monate" 2
Monate" heißen sollte. Die geänderten Seiten liegen bei, Ihr
könnt sie austauschen.
In christlicher Liebe
Euer Bruder im Dienste Jehovas und der Wahrheit [Carl Olof Jonsson]
Lieber Bruder,
ich nehme an, daß Du von meiner Abhandlung Die Zeiten der
Nationen näher betrachtet weißt (und sie vielleicht gelesen
hast), die ich vergangenes Jahr an die Schreibabteilung geschickt habe.
In dieser Abhandlung wird eine Reihe von Beweisen dafür vorgelegt,
daß Jerusalem 587 v.u.Z. von den Babyloniern verwüstet wurde,
und nicht wie bisher von uns geglaubt 607 v.u.Z. Ich habe zwar noch keine
Antwort mit einer Bewertung der Beweise in meiner Abhandlung erhalten,
aber ich denke mir - so ist mir auch gesagt worden -, ein Grund, warum
meine Beweise bisher nicht beachtet wurden, ist die Bedeutung, die Ihr
einem kürzlich erschienenen Werk von Robert R. Newton mit dem Titel
The Crime of Claudius Ptolemy (Baltimore 1977) zumeßt, und besonders
der Aussage des Rezensenten im Scientific American vom Oktober 1977, Seite
80, daß die Fälschung des Ptolemäus vielleicht so weit
ging, die Länge der Regierungszeiten babylonischer Könige zu
erfinden." Diese Aussage, die auch im Watchtower vom 15. Dezember 1977,
Seite 747, angeführt wurde, kann vollständig widerlegt werden,
wie dem beigefügten Blatt (eine Aufstellung mit kurzen Bemerkungen),
Die Regierungszeiten babylonischer Könige: Ein Vergleich des Ptolemäischen
Kanons mit älteren Quellen, zu entnehmen ist, das ich anfangs diesen
Jahres geschrieben habe.
Bruder Schroeder, es gibt zwei Gründe, warum ich in dieser
Sache persönlich an Dich herantrete:
1) Einer der Bezirksaufseher hier in Schweden, Bruder , sagte mir,
Du seist im Hauptbüro so etwas wie ein Experte für Chronologie,
und
2) berichtete er mir auch von einem Treffen, das Du Anfang August
mit einer Anzahl bekannter Brüder in Europa abgehalten hast. Bei diesem
Treffen hattest Du den Zuhörern gesagt, daß in den USA augenblicklich
eine Kampagne sowohl von außerhalb (den Siebten-Tag-Adventisten)als
auch aus unseren Reihen im Gange sei, um unsere gegenwärtige Chronologie
607 v.u.Z. bis 1914 u.Z. über den Haufen zu werfen, daß die
Gesellschaft ganz und gar nicht vorhabe, die Chronologie in ihrer gegenwärtigen
Form aufzugeben, daß sich einige der von den Angreifern" genannten
alten Dokumente als gefälscht erwiesen hätten (es wurde die Königsliste
des Ptolemäus erwähnt) und die Gesellschaft diese Sache mit größtem
Interesse verfolge, und daß es an den Argumenten, die diese Angreifer"
vorbringen, nichts gebe, was neu für die Gesellschaft sei. Diese Information
war natürlich sehr interessant für mich, und ich würde gerne
ein paar Bemerkungen dazu anbringen und Dir einige Fragen stellen, von
denen ich hoffe, daß Du sie freundlicherweise beantwortest.
A. Die Kampagne. Siehst Du meine Nachforschung zur neubabylonischen Chronologie und die Beweise, die ich der Schreibabteilung unterbreitet habe, vielleicht als Teil der oben erwähnten Kampagne an? Zumindest sieht es so aus, als ob Brüder in leitenden Stellungen hier in Schweden Deine Aussage so verstanden haben. Mir ist von einem Bezirksaufseher gesagt worden, die Gesellschaft wünsche nicht, daß jemand sich mit derartigen Nachforschungen abgibt; die Gesellschaft habe dies nicht nötig; daß kürzlich ein Bruder auf Island wegen solcher Nachforschungen ausgeschlossen worden sei, usw. Warnungen ähnlicher Art werden auch von der Bühne herab ausgesprochen. Während eines Kreiskongresses, den ich vor einigen Wochen besuchte, sprach ein weiterer Bezirksaufseher in ironischem Ton von einigen anmaßenden Brüdern", die sich wie kleine Propheten ihre eigene Chronologie" im Widerstreit zu der der Gesellschaft zurechtgezimmert hätten. Ein anderer Bruder, Angehöriger des Zweigkomitees, wendet in einer Ansprache, die er in den Versammlungen hält, erhebliche Zeit dafür auf, vor gefährlichen Elementen" in den Versammlungen zu warnen, wobei er speziell Brüder meint, die nicht an die Chronologie der Gesellschaft glauben. Du kannst Dir wohl gut vorstellen, welche Art Klima aufgrund von Äußerungen wie dieser sich entwickelt -- ein Klima der Furcht, der Verdächtigungen, usw., wo es immer wieder Brüder gibt, die einem eine harmlose Bemerkung so auslegen, daß sie sich schließlich gegen einen richtet.
Meine Nachforschung begann vor über zehn Jahren im Gefolge von Fragen, die mir ein Mann stellte, mit dem ich die Bibel studierte. Allmählich dämmerte es mir, daß die allgemein akzeptierte Chronologie für die neubabylonische Zeit durch sehr starke Beweise gestützt wird. Ich habe mich sehr angestrengt, sie zu widerlegen, aber ich konnte es nicht; schließlich mußte ich sie akzeptieren. Nachdem ich die Beweise eine Zeitlang mit ein paar meiner engsten Freunde (persönlich oder brieflich) erörtert hatte, reifte der Entschluß, sie der Gesellschaft vorzulegen. Also schrieb ich die Abhandlung Die Zeiten der Nationen näher betrachtet und schickte sie an die Schreibabteilung. Das Werk ist in aller Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit geschrieben. Es ist sehr tragisch, mit ansehen zu müssen, wie die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Frage - der Zuverlässigkeit der Jahreszahl 607 v.u.Z. - abgelenkt und auf den Fragesteller gerichtet wird und man nun ihn, und nicht mehr die Frage, als das Problem sieht! Das ist wirklich beklagenswert. Wie ist so etwas in unserer Gemeinschaft möglich?
B. Die Chronologie aufgeben oder nicht? Ich kann gut verstehen, warum man zögert, die Chronologie aufzugeben, auch wenn die Beweise dagegen sehr stark sind. Die Berechnung 607 v.u.Z. - 1914 u.Z. über den Haufen zu werfen hätte ernste Folgen für unser gegenwärtiges Verständnis der Ereignisse seit 1914 (wie ich das auch in Teil III der Abhandlung gezeigt habe). Und ich kann auch das Argument verstehen, das Fred Rusk gegenüber einem engen Freund von mir gebrauchte, der das Hauptbüro besuchte und mit ihm über die Chronologie sprach, d.h. daß wir nicht so einfach das Datum 1914 wegnehmen können, wenn wir nichts haben, was wir an seine Stelle setzen können." Andererseits ist Liebe zur Wahrheit seit jeher eines der wichtigsten Kennzeichen unserer Bewegung, und sicher ist das einer der Gründe, warum Gott diese Bewegung in der Vergangenheit gesegnet hat. Wer die Wahrheit liebt, hat auch mit großen Änderungen keine Probleme, da er erkennt, daß die Änderungen vorgenommen werden, um mit der Wahrheit und den Fakten in Übereinstimmung zu sein. Ich kenne viele Brüder (die nichts von den Beweisen gegen die Jahreszahl 607 v.u.Z. wissen), die inzwischen immer mehr Probleme mit unserer gegenwärtigen Chronologie haben, einfach weil sie sehen, daß das Jahr 1914 immer weiter in die Vergangenheit rückt und die Generation, die wir mit 1914 verbinden, bis zur äußersten Grenze hinausgeschoben wird und das kritische Jahrzehnt, die 1970er Jahre (mit dem Datum 1975), bald hinter uns liegt. Das weitverbreitete Gefühl wächst, daß etwas grundlegend nicht stimmt, und das ist sicher unsere Chronologie. -- Müssen wir denn wirklich etwas an seine Stelle setzen"? Für einen Christen genügt die Bibel und ihr Inhalt als Glaubensgrundlage. Und darin findet er kein Datum 607 v.u.Z. oder 1914 u.Z. Die Urchristen hatten keine solchen Daten, und ihnen genügte das, was sie hatten. Als sie Jesus nach der Zeit fragten, in der das Königreich Gottes aufgerichtet würde, gab er ihnen keine Daten oder chronologische Berechnungen zur Antwort, und er verwies sie auch nicht auf Daniel, Kapitel 4. Er sagte nur: Es ist nicht eure Sache, über die Zeiten (kairoi) und Zeitabschnitte Kenntnis zu erlangen, die der Vater in seine Rechtsgewalt gesetzt hat." -- Apg. 1:6, 7. Sollte diese Aussage nicht genügen, um sie an die Stelle des Datums 607-1914 zu setzen?
C. Gefälschte Dokumente? Ich war wirklich überrascht zu hören, daß einige der Dokumente, auf denen die Chronologie der neubabylonischen Zeit ruht, gefälscht sein sollen. Ich habe mich gefragt: Wenn das stimmt, warum hat man mich dann nicht als Antwort auf meine Abhandlung darüber benachrichtigt? Das wäre für mich sicher sehr hilfreich gewesen. Ich weiß nichts von solchen Fälschungen, obwohl ich die Dokumente schon seit Jahren studiere und die Diskussion darüber in den wissenschaftlichen Blättern verfolge. Doch mir wurde bald klar, daß die genannten Dokumente" nur die Königsliste des Ptolemäus sein konnten (die ich nicht zum Beweis in meiner Abhandlung heranzog). Vielleicht hast Du auch gar nicht gesagt, diese Königsliste habe sich als gefälscht herausgestellt (sie hat es nicht), sondern nur, sie könnte sich herausstellen. Auch Bruder Rusk hat in dem oben erwähnten Gespräch mit meinem Freund allein die Königsliste des Ptolemäus als möglicherweise erfunden bezeichnet; er schien nichts von weiteren Fälschungen zu wissen. So komme ich zu dem Schluß, daß es diese Liste ist, die ihr mit Dokumente" meint. Kannst Du das soweit bestätigen?
Die Königsliste des Ptolemäus wurde nicht erfunden, wie ich in dem beigefügten Blatt Die babylonischer Könige gezeigt habe, wo der Ptolemäische Kanon mit den Regierungszeiten der babylonischen Könige verglichen wird, wie sie in anderen und weit älteren Dokumenten angegeben sind. Ptolemäus hatte seine Angaben offenbar aus älteren, ihm zugänglichen Quellen. Andererseits schien R.R. Newton gezeigt zu haben, daß Ptolemäus viele der astronomischen Beobachtungen, die dieser Königsliste in seinem Almagest beigefügt sind, gefälscht hat. Wie konnte es möglich sein, daß diese Beobachtungen gefälscht waren, wenn es die Königsliste nicht war? Um darauf eine Antwort zu erhalten, sandte ich meine Aufstellung über Die Regierungszeiten babylonischer Könige an R.R. Newton und stellte ihm einige Fragen. Ich stellte ihm auch einige Fragen zur in der Eponymenliste erwähnten Sonnenfinsternis im Eponym des Bur-Sagal.
Robert Newton ist kein Experte der assyro-babylonischen Chronologie und Geschichte, was er in seinem Buch The Crime of Claudius Ptolemy auch bereitwillig zugibt: Ich habe nicht versucht, mich in die Beweise aus anderen Quellen als Ptolemäus für die Jahre davor zu vertiefen", d.h. vor Nebukadnezar (Seite 375). Das wurde auch bei unserem Briefwechsel deutlich. Obwohl er das astronomische Tagebuch VAT 4956 untersuchte und das bereits früher festgesetzte Datum für das 37. Regierungsjahr Nebukadnezars (568/567 v.u.Z.) bestätigte und damit auch Nebukadnezars erstes Regierungsjahr auf 604/603 v.u.Z. festlegen konnte, wußte er praktisch nichts über die alten Dokumente, auf die sich die assyro-babylonische Chronologie gründet. Das zeigt sich sehr deutlich in seiner Besprechung der assyrischen Eponymenliste, wo er einen sehr schweren Fehler begeht. (Es scheint, daß die Erörterung der Eponymenliste im Aid-Buch leider aus demselben Fehler herrührt. Es wird der Eindruck erweckt, die Festlegung des Eponyms Sanheribs in sein 18. Regierungsjahr sei eine Erfindung moderner Historiker, obwohl diese Information in der Eponymenliste selbst angegeben ist! Seite 326:4,5.
Anmerkung der Herausgeber: Im Nachfolgewerk der Wachtturm-Gesellschaft
für das Hilfe-Buch, Einsichten über die Heilige Schrift", fehlen
eben diese beiden angegebenen Abschnitte. -- Siehe Band I, Seite 482.)
In seiner Antwort räumt Newton ein, daß die Königsliste
vielleicht echt ist", womit er nicht bloß meint, daß sie nicht
erfunden sei (das wird aus meiner Tabelle sehr deutlich), sondern auch,
daß sie vielleicht korrekt ist. Das sind zwei unterschiedliche Dinge:
Der Kanon wurde nicht erfunden, sondern bezog seine Angaben aus älteren
Quellen. Aber stimmt er auch mit den Tatsachen überein? Die Antwort
auf diese Frage hängt natürlich davon ab, ob diese älteren
Quellen mit den Tatsachen übereinstimmen. Und genau das habe ich in
meiner Abhandlung aufgezeigt, in der ich verschiedene voneinander unabhängige
Beweislinien vorstellte und zeigte, daß die allgemein akzeptierte
Chronologie der neubabylonischen Zeit richtig ist. Es gibt andere Beweislinien,
die in der Abhandlung nicht genannt werden, die die Länge der neubabylonischen
Zeit festlegen, aber da sie verschiedene Teilbereiche dieser Zeit abdecken
und nicht die gesamte Zeitperiode, habe ich sie nicht in meine Abhandlung
aufgenommen. Einer dieser Teilbereiche umfaßt beispielsweise die
Zeit vom 16. Regierungsjahr des Nabopolassar bis zum Thronbesteigungsjahr
des Nabonid. Ein Dokument aus der Regierungszeit des Nabonid besagt, daß
diese Zeit 54 Jahre betrug (610-556 v.u.Z.). -- Ich lege die Antwort Newtons
und auch eine Kopie meiner Antwort auf seinen Brief bei. Meinen letzten
Brief hat er nicht beantwortet, offensichtlich weil er ihn nicht widerlegen
konnte.
D. Nichts neu? Natürlich konntest Du das im August 1978 sagen. Aber als Ihr im Mai 1977 den Teil II meiner Abhandlung erhalten hattet: Habt Ihr wirklich nichts Neues darin gefunden? Was ist denn mit der Harran-Stele, Nabon H 1, B? Diese Stele wurde im Jahre 1956 entdeckt und 1958 von Gadd übersetzt. Habt Ihr etwas von dieser Stele gewußt, als Ihr 1971 das Aid-Buch herausbrachtet? Ich komme zu einem negativen Schluß, denn hättet Ihr davon gewußt, dann hättet Ihr nicht die beschädigte Abschrift dieser Stele, 1906 entdeckt, genannt, ohne die Stele selbst mit den vollständigen Zeitangaben darauf, 50 Jahre später entdeckt, zu erwähnen. Über die beschädigte Stele zu schreiben, um zu zeigen, wie wenig wir von der neubabylonischen Chronologie wissen, wäre nicht aufrichtig gewesen, wenn Ihr von der neuen, in gutem Zustand befindlichen Stele schon wußtet. Da ich überzeugt bin, daß es sich bei dem Verfasser des Artikels um einen ehrlichen Menschen handelte, muß ich schließen, daß er nichts von der neuen, 1956 entdeckten Stele wußte. Ich halte es auch für unwahrscheinlich, daß Ihr etwas von den Egibi Keilschrifttafeln wußtet und welch starke Beweise sie für die neubabylonische Zeitperiode darstellen, oder die Beweise aus der zeitgenössischen ägyptischen Chronologie, die sich unabhängig davon auf eine Reihe von Apis-Stelen stützt. Die drei genannten Beweise stellen Synchronismen zur neubabylonischen Zeit dar und sind alle unabhängig voneinander, und doch sind sie alle in der Länge der neubabylonischen Zeit einig. Es sind die stärksten Beweise, die wir heute für die Länge der neubabylonischen Zeit haben. Dennoch ist keiner von ihnen jemals in einer unserer Publikationen erwähnt worden, weder im Aid-Buch noch sonstwo. Wenn diese Beweise nichts " Neues" sind, dann, so denke ich, ist es doch merkwürdig, daß sie nirgends erörtert oder erwähnt sind und kein Versuch unternommen wurde, sie zu widerlegen. Bist Du sicher, daß nichts davon neu war, als das Aid-Buch geschrieben wurde oder als ihr 1977 meine Abhandlung erhalten habt?
Ein Einwand gegen meine Argumente gegen das Datum 607 v.u.Z. ist, daß sie sich alle auf weltliche" Quellen stützen. Darauf kann man nur erwidern, daß sich ein sehr großer Teil unserer gegenwärtigen Bibelchronologie", d.h. die über 2.500 Jahre von 539 v.u.Z. bis 1978 u.Z., allein auf weltliche" Quellen stützt. Nebenbei, genau dieselbe Art von Beweisen (= weltliche Dokumente), die das Jahr 539 v.u.Z. zu einem absoluten Datum" oder Schlüsseldatum" in unserer gegenwärtigen Chronologie machen, machen auch das Jahr 587 (als das 18. Regierungsjahr Nebukadnezars, als Jerusalem zerstört wurde) zu einem absoluten" oder Schlüsseldatum". Tatsache ist, daß unsere ganze Bibelchronologie", die am Jahr 539 v.u.Z. hängt, aus eben diesem Grund allein auf weltlichen" Quellen beruht! Jedes Argument gegen die Dokumente, auf denen das Datum 587 v.u.Z. aufbaut, besitzt dieselbe Schlagkraft auch gegen 539 v.u.Z. und indirekt auch gegen 607 v.u.Z., da diese Jahreszahl vom Datum 539 v.u.Z. abgeleitet wird! So sieht die Sache aus, und darum sollten wir 587 v.u.Z. statt 607 v.u.Z. als das korrekte Jahr für die Zerstörung Jerusalems akzeptieren.
Ich bin zuversichtlich, daß Du mir meine Freimütigkeit nicht übel nimmst, sondern das beigefügte Material unvoreingenommen untersuchen wirst. Sei dessen gewiß, daß ich nur gut von Euch denke und trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten darum bitte, daß Jehova uns alle weiterhin völlig in seine Wahrheit leitet und uns einander Liebe erweisen lehrt. Ich freue mich auf Deine Antwort. Dein Bruder [...]